Nur der Kirchturm ragt hervor, der Rest der Kirche ist Geschichte, einfach untergegangen. Dieses Urlaubsfoto vom Reschensee ist für mich ein Symbolbild für die in den Fluten von säkularen Angeboten, Reizen und Möglichkeiten ertrinkende Kirche unserer Zeit. Ich finde, es ist allerhöchste Eisenbahn, sie wieder sichtbar zu machen. Nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch.

Bei meinem Vortrag im Rahmen unseres „Think Tank Gemeinde 4.0“ im November in Hanau machte ich mir ein bisschen Luft. Ich erzählte von meiner Leidensgeschichte der letzten Jahre. Von meinen Reisen durch Deutschland, bei denen ich auf viel zu viele unansehnliche Gemeindehäuser stieß. Da fehlte Leben und sie standen buchstäblich am Rand der Gesellschaft, irgendwo im Hinterhof oder Gewerbegebiet. Und fast noch schlimmer: Viele Eingangsportale und Foyers strahlten den Mief vergangener Zeiten aus – ein Flair, das nicht gerade anlockt.

Der rote Faden des „Think Tank Gemeinde 4.0“: Es braucht einen Wechsel der Blickrichtung

Die herausfordernden Impulse und der lebhafte Austausch über Strategien und Konzepte für die Zukunft unserer Gemeinden zeigten: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, indem wir lernen,

  • aus dem Blickwinkel von kirchenfernen Menschen zu sehen. Nicht aus dem der Gemeinde- Insider, also der Leute, die Jahr aus, Jahr ein dorthin pilgern. Dann gehen uns die Augen auf, dass es Räume braucht, die von außen attraktiv, transparent und offen sind. Und von innen so ansprechend, dass sich Menschen dort einfach wohlfühlen würden und gerne bleiben.
  • unsere Räumlichkeiten aus aus Gottes Perspektive zu sehen. Dann werden wir erkennen, welchen Plan er mit ihnen hat. Vielleicht, dass dieses Gebäude nicht nur den Bedürfnissen der Gemeinde dienen soll. Weil uns diese Räume als Gabe Gottes anvertraut sind, mit der wir wuchern sollen. Dadurch allein poppen neue Chancen auf, den Menschen der Umgebung zu dienen und „der Stadt Bestes zu suchen“. Es hat damit zu tun, „den Raum unseres Zeltes weit zu machen“ und die Räumlichkeiten auch für andere Nutzungen außerhalb von Gemeindeaktivitäten zu vermieten oder zur Verfügung zu stellen. Der angenehme und nützliche Nebeneffekt: Kirchenferne Menschen fühlen sich bei uns zuhause.

Was bzw. wer drin ist, sollte auch außen sichtbar werden

Ich bin der Meinung, Räume sollten das ausstrahlen, was innen stattfindet: Die christliche Gemeinde repräsentiert den lebendigen Gott, indem sie das ausstrahlt, was ihn ausmacht. Nicht nur wir als seine Nachfolger, auch die Räume seiner Gemeinde sollten unserem Schöpfer Ehre machen. Dadurch, dass Versammlungsstätten seine Schönheit, Exzellenz, Licht, Liebe, Farbe und seinen Wohlgeruch reflektieren, wird Gott erlebbar.

Die zentrale Frage lautet also: Wie kann die Kirche wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft rücken? Das hat natürlich ganz viel mit dem Standort einer Gemeinde zu tun. Aber auch damit, wie wir uns präsentieren, wie offen, zugänglich und einladend wir für kirchenferne Menschen sind. Und nicht zuletzt, wie barrierefrei.

Gemeinden gehören dahin, wo das Leben pulsiert

Freikirchen sollten zukünftig wieder dort sein, wo Menschen sind: Auf den Marktplätzen unserer Gesellschaft. In der Nähe von Shopping-Centern und Discountern oder dort, wo Büros und Gewerbe angesiedelt sind, wo Menschen leben, arbeiten und einkaufen. Nicht am einsamen Stadtrand oder in den Gewerbegebieten, wo man zwar günstig ein Grundstück kaufen kann und nicht stört, aber auch nicht wahrgenommen wird.

Große Gemeinden können sich an den Schnittstellen zwischen Wohnbebauung oder Innenstadt und Peripherie niederlassen. Oftmals gibt es auch stadtnahe Konversionsflächen, beispielsweise wenn große Firmen schließen. Oder ehemalige Kasernengelände. Größere Gemeinden können hier mit multifunktionalen Räumen punkten, die sie auch für außerkirchliche Veranstaltungen anbieten.

Bild: 4Wände, Tim Dehring

Wohlfühlen, Beziehungen knüpfen, wiederkommen

Einer, der seine Räume schon längst nutzt, um die Liebe Gottes durch Gastfreundschaft auszudrücken, ist Manfred Schwarzkopf. Der Gastgeber unseres Think Tank und Pastor der C3 Church in Hanau möchte, dass sich die Leute bei ihnen pudelwohl fühlen. Dafür tun sie einiges: Rockige Musik, moderne Bühnen- und Veranstaltungstechnik – und der anschließende Kaffee „unter Freunden“ schmeckt noch viel besser.

Mit einem vernachlässigten Aspekt, wie Gemeinde für unsere Gesellschaft wieder relevant werden kann, rüttelte ein weiterer Sprecher auf: Der Direktor des Friedens- und Versöhnungs-Netzwerks der weltweiten evangelischen Allianz, Prof. Dr. Johannes Reimer. Sein Appell:

Gemeinden als Orte der Versöhnung

Christliche Kirchen sollten wieder als Orte des Friedens und der Versöhnung bekannt sein. Diese Kernkompetenz der Christen werde in der Gesellschaft noch ganz wenig wahrgenommen. Dazu erzählte er schmunzelnd, dass er regelmäßig zum Taxifahrer sage, wenn er in eine neue Stadt komme: „Bringen sie mich zum Mediationszentrum der Stadt.“

Leider habe er noch nie erlebt, dass er dann in eine christliche Gemeinde gebracht wurde. Und das, obwohl es doch unser Auftrag sei, gerade für unsere Gesellschaft Friedensstifter sowie Salz und Licht zu sein. Dazu brauche es Räume, wo Beratung, Seelsorge und Mediation stattfinden kann. Eine Gemeinde die sich als Ort der Versöhnung versteht, wird unweigerlich zum Mediationszentrum des Ortes. Dort finden Menschen Hilfe bei den unterschiedlichen Konflikten in der Familie, Nachbarschaft oder auch auf der Arbeitsstelle und Schule. – Eine Besonderheit sollten diese Räume allerdings haben: Sie sollten für alle Menschen offen sein, also auch werktags.

Ich finde, wir als Kirchengemeinden haben genügend Potenzial, das nach außen zu bringen, was Gott schon längst in uns gelegt hat.